D – wie Dankbarkeit (Jakobspilger querfeldein)
Hier zum Thema in meinem Buch:
So empfinden wir Dankbarkeit für alle Erfahrungen, die wir auf dem Camino machen konnten. Es ist im Alltag ein wenig untergegangen, das Bewusstsein, dass alles was wichtig ist, von göttlicher Gnade ist. Unser Ansatz für diese Pilgerfahrt ist nicht rein religiöser Natur, aber wir sind immer auf der Suche nach religiöser Spiritualität. Ob es jetzt Orte wie Santo Domingo de la Calzada, San Juan de Ortega, das Cruz de Ferro, O Cebreiro oder auch Santiago de Compostela waren, unsere Empfindungen an diesen Orten lassen sich nicht beschreiben. Schwester Elke schreibt uns, wie es ihr in Santiago als armer Pilgerin ergangen war. Und sie stellt fest, dass es ganz schnell passieren kann, dass man in der Obdachlosigkeit landet. Trotzdem haben sie diese Erfahrungen gestärkt und ich denke, das hat auch etwas mit christlicher Demut zu tun.
Die Refugios am Jakobsweg sind wichtige Begegnungsstätten für die Pilger. Man trifft auf Menschen aus aller Welt. In diesem Jahr z. B. waren es besonders viele aus dem deutschsprachigen Raum. Sehr oft haben wir auch Brasilianer getroffen. Dass so viele Brasilianer auf dem Jakobsweg unterwegs sind, liegt vermutlich daran, dass in den letzten beiden Jahrhunderten 1,4 Millionen Galicier aus wirtschaftlichen und politischen Gründen, meistens nach Südamerika, ausgewandert sind. Ich denke mir, dass die nachfolgenden Generationen noch eine starke Bindung an die Heimat und an den Apostel haben.
Wir danken allen, die unsere Wegbegleiter auf dem Sternenweg von St.-Jean-Pied-de-Port bis nach Santiago de Compostela waren, für ihre Freundschaft. Dieser Weg zu dem geheimnisvollen Grab am Ende der Welt wird uns unser Leben lang begleiten und wenn es uns vergönnt ist, so würden wir ihn wohl auch noch einmal gehen.
E – wie Erinnerungen (alles freiwillig, sechs Monate auf dem Jakobsweg)
Begleitet wurde diese Planungsphase von unseren Erinnerungen, die, wie es Erinnerungen so an sich haben, die Wirklichkeit ganz ordentlich verklären. Vergessen der Schweiß, die Blasen, der Frust, die brennende Sonne und der galicische Dauerregen, der Regen im allgemeinen - und die gegenseitige Anzickerei, wenn wir uns verlaufen hatten, alles Schnee von gestern. Im Vordergrund standen jetzt die Freundschaften und die Gemeinsamkeiten mit anderen Pilgern, das Erleben dieser grandiosen Landschaften, die mystischen Stimmungen und der Stolz, es geschafft zu haben, über seine eigenen Möglichkeiten hinausgewachsen zu sein.
Camino de Santiago, Chemin de Saint Jacques, Jakobsweg, so wird er genannt, der Weg, der das Leben verändert. Davon hatten wir an jenem Tag im Jahr 2007, an dem wir in dem französischen Pyrenäenort St.-Jean-Pied-de-Port erstmals unseren Fuß auf den Jakobsweg setzten keine Ahnung, keine Ahnung, worauf wir uns da gerade einließen. ... Als besonders mystische Orte, Orte mit einer ganz besonderen Ausstrahlung, habe ich das Kloster San Juan de Ortega und die Klosterruine San Antón empfunden, das geheimnisvolle Cruz de Ferro erlebten wir einsam, ohne die allgegenwärtigen Touristen, am frühen Morgen im dichten Nebel. Das galicische Museumsdorf O Cebreiro faszinierte uns unbeschreiblich mit seiner Ursprünglichkeit. Solche Erlebnisse berühren die Sinne und die Seele, da will man gar nicht wieder weg, aber, es geht ja immer weiter, auf das große Ziel zu und wenn man dann in dessen Nähe gelangt ist, möchte man am liebsten gar nicht ankommen, denn dann ist ja alles vorbei. Trotzdem ist die Welt in Ordnung, wenn man dort bei der Kathedrale eintrifft, für die ich ein „wie nach Hause kommen“, eine Vertrautheit, empfinde. Und ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber die Tränen werden fließen, vor Rührung und Stolz, Erschöpfung und abfallender Anspannung und die Pilgermesse in der Kathedrale von Santiago de Compostela war außerordentlich emotionsgeladen.
F – wie Faszination (Jakobspilger querfeldein)
Wir haben gelernt, dass weniger mehr ist! Wochenlang nur mit dem Inhalt eines Rucksackes, den man selber trägt, auszukommen, das erfordert Erfahrung. Wir haben gelernt, was wir alles nicht brauchen, und dass das Leben trotzdem oder gerade deshalb spannend ist. Wir haben gelernt, auf andere Menschen zuzugehen, das hat unser Leben reicher und bunter gemacht. Wir haben die Sehnsucht kennengelernt, die Sehnsucht nach einem Ziel. Mit einem Satz: Wir sind der Faszination der Jakobswege erlegen.
Diese Wege firmieren zwar unter „Fernwanderwege“ und doch sind sie sehr viel mehr. Wir sind der Meinung, diese Wege kann man gar nicht einfach nur so gehen. Der Wanderer wird mit den unterschiedlichsten Begebenheiten konfrontiert, ob er will oder nicht. Und man wird sich auf das Abenteuer „Überraschung und Unsicherheit“ einlassen müssen. Die Faszination wird nicht nur in dem religiösen Aspekt liegen, obwohl die Suche nach sich selbst und nach der göttlichen Ordnung sicher von großer Bedeutung ist. Die Herausforderung an Körper und Geist, schwierige Situationen zu meistern gehört dazu. Die Natur erleben, das ist einfach nur wunderbar. Ebenfalls spannend sind die internationalen Begegnungen mit anderen Menschen. Und falls es sie gegeben haben sollte, die Berührungsängste mit dem christlichen Glauben oder mit nicht kalkulierbaren Situationen, diese Ängste verlieren sich mit der Zeit und werden zu Erfahrungen. Letztendlich geht man gestärkt daraus hervor. Es ist die Summe dieser Aspekte, die die Faszination dieser Wege ausmacht.