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Tante Emma lässt nicht locker!

Auf dem Bahnhof von Stralsund sah Tante Emma ihren Großneffen Otto auf dem Bahnsteig stehen und steuerte zielsicher auf ihn zu. Sie war eine Verwandte aus der Stralsunder Linie von Opa Wilkes Seite her. Beide warteten sie auf den Zug, der sich mal wieder Zeit ließ.  Die Augen der alten Dame funktionierten perfekt, der gute Otto konnte gar nicht schnell genug in der Menge verschwinden, wie er gerne wollte. Da gab es kein entrinnen! Denn die schwerhörige Großtante hatte ihn sofort erkannt und verwickelte ihn ein lautstarkes Gespräch:

 

»Du warst ja in Gefangenschaft, Otto? Die Verwandte war sehr wissbegierig.

»Ja, Tante Emma, in russischer«, tutete Otto in ihr Hörrohr.

»Und geheiratet hast du auch, wie ich höre.« Die Tante war offenkundig gut informiert.

»Ja, Tante Emma«, brüllte Otto ihr ins große Gerät. 

»Ist deine Braut eine hiesige? Wo kommt das Mädchen denn her?«

»Aus dem Sudetenland, Tante Emma.« Otto wurde nervös, denn die wartenden Fahrgäste auf dem Bahnsteig hörten dem Gespräch bereits interessiert zu.

Na, Tante Emma, die kannte sich aus: »Das Sudetenland ist ja so schön. Hast du auch Kinder?«

»Ja, vier Stück, zwei Mädchen und zwei Jungs.«

 

Nun waren sämtliche Reisende über Ottos Familienleben informiert und die Menge amüsierte sich schon über das unfreiwillig laute Gespräch, dem der Neffe so gerne aus dem Weg gegangen wäre. Aber Otto hatte Glück, der einfahrende Zug erlöste ihn und er ließ sich schnurstracks von der Masse in einen anderen Waggon schieben. Sollte Tante Emma etwa auf eine Unterhaltung während der Fahrt gehofft haben?

 

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