JUHUU - der dritte Platz

MicroAmberFiction – Willkommen auf der dunklen Seite der Nacht

»Ähnlich wie meiner Protagonistin Isolde ist es mir auf der Insel Rügen ergangen, als ich mal kurz zum Himmel aufblickte und von der Sternenfülle, von der Klarheit und dem Glanz geradezu erschlagen wurde.« Diesen Satz schrieb ich in die Bewerbung für den Schreibwettbewerb, veranstaltet von »Dark Sky Nord – Bremen und Umzu – Initiative für nachhaltige Außenbeleuchtung«

Ich darf mich über den 3. Platz freuen. Im September, dann erscheinen die prämierten Beiträge auf der Web-Seite: https://www.darksky-nord.de, schaut Euch mal dort um.

 

Der Nachthimmel übt seit Menschengedenken eine fesselnde Wirkung auf uns aus. Gerd und ich wanderten vor elf Jahren auf dem ›Sternenweg‹ von den Pyrenäen nach Santiago de Compostela. Seit der Steinzeit orientierten sich die Menschen an der himmlischen Milchstraße zu Initialisierungsriten und seit dem Mittelalter wandern sie in Pilgereigenschaft. Das berühmte Heldenepos ›Rolandslied‹ erzählt vom Kriegszug Karls des Großen, der dem Sternenweg nach Galicien folgte. Es galt, die maurischen Besatzer zu vertreiben. 

So fasziniert die Nacht bis heute und hier lest Ihr meine Geschichte:

 

Töwerland – Zaubernacht

Die Künstlerin Isolde wanderte ziellos hinaus in die Dämmerung, sodann schlug sie den Weg zum Strand ein. Sie sah die Wolken ziehen, schmeckte die salzige Luft, hörte die ferne Brandung rauschen und die Wellen aufschlagen. Im feuchten Sand des Spülsaums zeichneten sich ihre Fußspuren ab. Einige der tiefen Fußabdrücke blieben zurück, andere verwischten die Wogen. Isolde empfand es als Spiegelbild ihres Lebens. Was würde dereinst von ihr bleiben, von ihrem künstlerischen Ausdruck? Diese tiefgründigen Gedanken beflügelten ihre Sinne. Sie wähnte sich im vollen Einklang mit ihrer Welt und gab sich den Wachträumen hin. So verlor sie sich in der Zeit.

Wind wehte von See her, fröstelnd zog sie den Jackenkragen höher. Dabei legte sie wie zufällig den Kopf in den Nacken. War sie bisher wie eine Traumwandlerin unterwegs? Wie eine Blinde? Die Nacht war hereingebrochen, sie bemerkte die Dunkelheit erst jetzt und wunderte sich angesichts des Sternenfunkelns. Mein Gott wie schön! Derart hatte sie den Nachthimmel nie erlebt, in ihrer lichtverschmutzen Großstadt.

 Hier auf der Insel Juist, in der Schwärze der klaren Herbstnacht glänzte das schier grenzenlose Band der Milchstraße über ihr. Das magische Licht in voller galaktischer Prachtentfaltung zu erleben, empfand sie so majestätisch. Ihr war, als träumte sie immerzu. Dieses Bild berührte sie zutiefst. Sie kramte in ihren Erinnerungen, dort tauchte kein Zauber dieser Art auf. Wie gerne hätte sie den Geliebten an ihrer Seite, um diesen heiligen Augenblick mit ihm zu teilen.

Im Windschatten einer Düne setzte sie sich in den Sand und sah hinaus aufs Meer. Ließ das ewige Kommen und Gehen der Wellen auf sich wirken. Das Rauschen erschien ihr endlos wie der grenzenlose Nachthimmel über ihr. Ist es nicht von alters her überliefert, dass die Sternenkonstellationen für Menschenschicksale eine maßgebliche Bewandtnis haben? Der silbrige Schein des Mondes beleuchtete das Meer, reflektierte das Licht im Auf und Ab der Wogen. Ebbe und Flut, die anziehende Rolle des Erdtrabanten im kosmischen Spektakel kennen die Menschen der Meeresküsten genau. 

Isolde erhob sich, klopfte den Sand aus den Kleidern. Ein letzter Blick noch in den Sternenhimmel. In jenem Augenblick bedauerte sie es, dass sie von Sternenkunde keine Ahnung hatte. Sie schob diesen Gedanken beiseite und überlegte, wie es ihr gelänge, die magisch einsame Nacht am Strand künstlerisch umzusetzen. Und überhaupt, hatte sie nicht eben herausgefunden, was das »Zauberland« ausmacht? Sie hatte ein Stückchen vom geheimnisvollen alten »Töwerland« erlebt!